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Trost

„Etwas Schlimmes ist passiert.“ Ohne Kraft, ohne Perspektive, mutlos, so sehen sich die Betroffenen, wenn sie Kontakt aufnehmen und eine Therapie erwägen oder dazu von außen ermutigt werden. Oft stellt sich dann im Erstgespräch oder in den folgenden Probesitzungen heraus, dass sie nicht allein sind, dass da jemand ist, der sich ihnen zuwendet. Mag die Lösung eines Problems oder eines Konflikts noch sehr fern sein, so gibt es doch diesen Quell, der die Fähigkeit zu Aufbruch und Neubeginn, zu Orientierung und Heilung speist, den „Trost“. Fast genauso oft aber wird das von den Betroffenen hingestellt als „billiger Trost“. „Die wollen mich ja nur trösten.“ – „Das kann mich jetzt auch nicht trösten.“

Mitunter war ich dann verwundert, wie sehr die Betroffenen abgeschnitten waren von der angebotenen Nähe eines Anderen. Irgendwann kürzlich habe ich erstmals dem Wort „Trost“ nachgespürt, mich gefragt, was Trost eigentlich ist.

Mit „Tröster“ übersetzt Luther das griechische Parakletos. Parakalo heißt heute noch „Bitte“. Eigentlich ich bitte, von parakaleo, herbeirufen. Den Parakleten kann man also herbeibitten.
Im Althochdeutschen wird auf die Verwandschaft zu „treu“ im Sinne von (innerer) Festigkeit hingewiesen.
Das griechische paregoria bedeutet „Zureden, Ermuntern, Ermutigen“. Agora steckt in dem Wort. Die Agora war der Markt, der Versammlungsort, auch die Rede und Beratschlagung, also ein Ort, an dem man sicher nicht allein war.
Und nimmt man noch das lateinische consolatio hinzu, was ausdrückt, dass jemand mit mir ist, der sich solo fühlt, dann wird die Qualität des Trosts, aber auch die Falle, die darin liegt, klar.

Der Wunsch nach Gewissheit ist jedem geläufig, je vor- bzw. unbewusster dieser Jeder ist, desto größer ist dieser Wunsch, zu wissen, wie der nächste Schritt aussieht. Abgesehen davon, dass es diese Gewissheit nun mal nicht gibt und nicht geben kann, ist es durchaus angebracht tief durchzuatmen und sich der menschlichen Bedingtheit zu stellen.
Aber, o weh! Wie schwer ist das, wenn man sich völlig allein gelassen fühlt. Wie tröstend aber auch zu spüren, da ist jemand, der mir Mut macht, der zuhört, der meine Verzweiflung nicht hinterfragt, sondern sie würdigt, indem er nicht sofort Lösungen anbietet. Der einfach nur da ist.

Welch ein Trost!

Hanswerner Herber

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