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Blutfette nüchtern bestimmen?

„Nüchternblut“ – ein leidiges Thema. Längst hat die Fremdbestimmung im Arbeitsleben einen Grad erreicht, der die meisten Patienten aufstöhnen lässt, wenn sie zu Zeiten die Praxis aufsuchen müssen, die im harten Clinch zu ihren Arbeitszeiten stehen. Längst schon hatte ich das Dogma „Nüchternblut“ weitgehend ignoriert. Ausnahme: Fettstoffwechselstörungen. Und auch die Festung wurde geschleift. Zwar hatte ich den Eindruck, dass keine entscheidenden Unterschiede zur postprandialen (nach einer Mahlzeit) Abnahme vorlagen, aber wissenschaftlich fundierte Zahlen hatte ich nicht vorzuweisen und so blieb Zweifel und schlechtes Gewissen.

Nun, beides darf sich jetzt verflüchtigen:  Wie sich Nüchternheit auf das Lipidprofil auswirkt, haben kanadische Forscher untersucht (Arch Intern Med 2012, online 12. November). Dazu wurden Messwerte von 209.000 Personen analysiert, die binnen sechs Monaten in einem Labor bestimmt worden waren. Von den Patienten waren 4400 weniger als acht und 3000 weniger als vier Stunden nüchtern gewesen. Doch egal, ob sie erst vor einer Stunde oder bereits vor 16 Stunden die letzte Nahrung zu sich genommen hatten, wichen die mittleren Werte für das Gesamtcholesterin ebenso wie für das HDL-Cholesterin um weniger als zwei Prozent voneinander ab.

Nur die Triglyzerid-Werte waren postprandial deutlich um 20 Prozent höher. „Für Routinemessungen der Blutfette ist es größtenteils unnötig, dass der Patient nüchtern ist“, so das Fazit der Forscher. Die Daten und weitere Studien-Ergebnisse legen nahe, dass die Bestimmung der Blutfette nach Nahrungsaufnahme „eine vernünftige Alternative“ zur Messung in Nüchternblut ist.  „Für die meisten Lipidprofile müssen die Patienten nicht nüchtern sein“, sagt Dr. J. Michael Gaziano vom Brigham and Women’s Hospital in Boston. Postprandial gemessene Lipidwerte würden sowohl zur Abschätzung des kardiovaskulären Risikos als auch zur Entscheidung über eine lipidsenkende Therapie taugen. Nur zur Überwachung der Triglyzeridspiegel könne es sinnvoll sein, einige Nüchternmessungen vorzunehmen. „Mangels Beweisen für die Überlegenheit von Nüchternmessungen ist es vernünftig, bei der Mehrheit der Patienten, die sich routinemäßig vorstellen, die Lipide auch dann zu bestimmen, wenn sie nicht nüchtern sind.“

Quelle: www.springermedizin.de